DAAD Lektorate
DAAD-Lektorate werden ausschließlich auf Antrag einer ausländischen Hochschule und in Absprache mit dem Auswärtigen Amt eingerichtet. Die ausländische Hochschule stellt für eine Lektorin oder einen Lektor eine Stelle und die entsprechende Vergütung bereit und formuliert in Abstimmung mit dem DAAD Aufgaben und erforderliche Qualifikationen der Lektorin bzw. des Lektors. Der DAAD sucht geeignete Kandidatinnen und Kandidaten und schlägt sie der Hochschule vor. Neben der Rolle des Vermittlers übernimmt der DAAD aber auch fördernde und unterstützende Funktionen.
In Ostafrika gibt es derzeit fünf DAAD Lektoratsposten, nur zwei sind momentan besetzt: in Kenia Universität Nairobi (derzeit vakant) und Kenyatta Universität, in Äthiopien Addis Ababa Universität (derzeit vakant), in Uganda Makerere Universität, in Tansania (derzeit keine Hochschulanbindung).
Das DAAD Lektorat an der Universität Ruanda wurde 2021 geschlossen. Die Universität Ruanda ist nicht mehr an einem Lektorat interessiert.
Finden Sie hier den Erfahrungsbericht von Dr. Rainer Schmidt, DAAD Lektor an der Universität Ruanda von 2016-2021
Bitte stelle dich kurz vor:
Mein Name ist Dr. Rainer Schmidt, promovierter und habilitierter Politikwissenschaftler, zur Zeit im DAAD Rückkehrstipendium an der Universität Bayreuth (Prof. Dr. Alexander Stroh/African Politics)
Berichte über deine Lektorenzeit in Ruanda: von wann bis wann warst du als DAAD Lektor an der Universität of Rwanda? Welche Lehraufgaben, Tätigkeiten und Forschungen hast du gemacht? Was waren deine Erfahrungen an der Fakultät mit Kollegen, Studierenden?
Ich war DAAD Lektor von September 2016 bis August 2021 am College of Arts and Social Sciences (CASS) der University of Rwanda (UR). Dort habe ich in allen Bereichen der Politikwissenschaft unterrichtet und auch ein paar Kurse für Historiker gegeben. Dies vor allem, weil mein Lektorat unter der Überschrift: „Erinnerungskultur“ stand. Aus diesem Grund hatte ich vor allem viel mit meinem Kollegen Prof. Charles Kabwete zu tun, einem Historiker und heute Dean des Colleges. Mit ihm habe ich auch erfolgreich ein Forschungsprojekt bei der Gerda-Henkel-Stiftung beantragt. Es geht um die Rückgabe von Schädeln und Knochen (human remains) aus Berliner Beständen nach Ruanda. Diese wurden hauptsächlich bei einer der kolonialen Expeditionen in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts nach Deutschland gebracht. Wir werden uns demnächst mit der Rückgabe und vor allem mit den Feierlichkeiten und erinnerungskulturellen Fragen befassen, die sich daraus ergeben.
Die DAAD-Aufgaben drehten sich am Anfang vor allem darum, Antrittsbesuche zu machen und die Arbeit des DAAD vorzustellen und bekannt zu machen. Ich war ja der erste Vertreter des DAAD im Land. Im Zentrum stand am Anfang das Regierungsstipendien-Programm, später dann auch Falling Walls Veranstaltungen, unzählige persönliche Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen der öffentlichen und einigen kleineren, privaten Bildungs-Einrichtungen. In den ersten Jahren kamen zahllose Delegationen, vor allem aus Rheinland-Pfalz, von wo aus es besondere Beziehungen zu Ruanda gibt. Hervorheben möchte ich aber auch die wunderbare Zusammenarbeit mit den anderen deutschen Einrichtungen: mit Katharina Hey vom Goethe-Institut und mit Oliver Dalichau von der Friedrich Ebert Stiftung. Und am Schluss darf natürlich die Erinnerung an unsere LektorInnen-Arbeitsgruppe nicht fehlen, mit den wunderbaren Gesprächen und den Reisen nach Südafrika und Uganda.
Was war deine Motivation für das DAAD Lektorat und speziell für das Lektorat in Rwanda? Wie kam es dazu?
Ich hatte mich schon im Rahmen eines großen Sonderforschungsbereichs unter dem sperrigen Titel „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ mit Themen der Erinnerung beschäftigt. Das stammt noch aus der Dresdener Zeit (TU Dresden), wo ich von 1994 bis 2009 Assistent am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte war. Dann hatte ich auch in Brasilien, wo ich von 2009 bis 2014 auf dem Martius-Lehrstuhl für Deutschland und Europastudien (DAAD) war, mit dem Thema zu tun. Aus dieser Zeit ist dann auch in portugiesischer Sprache ein Band zu Erinnerung in den Sozialwissenschaften erschienen. Als dann in Ruanda unter dieser Überschrift ein Fachlektorat ausgeschrieben wurde, passte vieles zusammen.
Das politische Ruanda und das Thema Erinnerungskultur sind spannend, möchtest du darüber berichten?
Da könnte ich natürlich jetzt ganze Romane zu schreiben. Das Wichtigste ist sicherlich, auf den Zusammenhang zwischen Erinnerung und Versöhnung hinzuweisen. Ein Land, das solche traumatischen Erfahrungen durchlebt hat und auch heute noch von dieser Phase des totalen Ordnungs- und Vertrauensverlustes gezeichnet ist, kann sich nicht innerhalb einer Generation von dieser Last befreien. Der Versöhnungsprozess ist – wie der Name schon sagt: ein Prozess. Er ist schon 1994/95 angelaufen und verdient jeden Respekt von Außenstehenden. Aber er ist noch lange nicht abgeschlossen. Es wird zukünftigen Generationen vorbehalten sein, die Leerstellen, die sich jetzt noch auftun, langsam nach und nach aufzuarbeiten. Nationales Erinnern wird zunehmend von einer globalen Öffentlichkeit begleitet und kommentiert. Diese Bühne bietet produktive Möglichkeiten aber auch eine Reihe von offenen Fragen: wer darf in welchem Fall mitreden und wen repräsentieren?
Was waren deine Höhepunkte in Ruanda? Und die Tiefpunkte?
Höhepunkte waren sicherlich die wunderbaren Gespräche mit den Studierenden innerhalb und außerhalb der Klassenräume, aber auch das herzliche, kollegiale Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen.
Aber ich will auch nicht die vielen Reisen im Land vergessen. Obwohl Ruanda so klein ist, bieten sich vor allem in den Nationalparks immer wieder wunderbare Reiseziele. Da bin ich immer sehr gerne unterwegs gewesen.
Tiefpunkt war eindeutig der Beginn der Covid-Pandemie. Es ist leider nicht möglich gewesen, wirklich sinnvoll Online-Lehre zu machen. Mit dem Beginn der Pandemie war dann an vernünftige, befriedigende Arbeit sowohl in der Lehre als auch in der Forschung nicht mehr wirklich zu denken. Und leider muss ich sagen, dass mich das Thema Plagiarismus von studentischer Seite auf eine sehr belastende Art von Anfang an begleitet hat. Darauf war ich nicht vorbereitet.
Was sind deine liebsten Erinnerungen an die Zeit in Ruanda?
Wie oben schon gesagt, sind es die Freundschaften, die in Ruanda entstanden sind, die mir am liebsten in Erinnerung geblieben sind. Wenn ich dieses Jahr – zu den oben genannten Forschungszwecken – wieder nach Ruanda zurückkommen werde, freue ich mich auf das Wiedersehen mit vielen liebgewonnenen Menschen. Aber ich freue mich auch darauf, durch Huye, meine Universitätsstadt im Süden des Landes, zu schlendern und bin schon gespannt, was sich verändert haben wird. Ob es das einzige Chinesische Restaurant am Ort mit seinen großartigen Grünen Bohnen noch gibt?
Wie hat diese Erfahrung dein berufliches und dein persönliches Leben geprägt?
Ich werde auf jeden Fall auch wissenschaftlich der Region Ostafrika treu bleiben. Was sich daraus entwickeln kann, muss sich noch zeigen. Auf jeden Fall rate ich jeder und jedem, der/die sich mit Politik wissenschaftlich beschäftigt, einmal längere Zeit südlich des Äquators zu unterrichten und zu leben. Viele Dinge werden aus sehr verständlichen Gründen in Afrika gänzlich anders gesehen, bewertet und diskutiert. Ich hatte schon aus Brasilien erste Lehren mitgenommen, aber Ruanda hat dann noch einmal für selbstverständlich gehaltene Denkmuster aufgebrochen. Das fand ich persönlich sehr anregend.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!